Home KalenderAktuelles

Die Fichte verliert in Deutschland, Österreich und der Schweiz an Bedeutung.Foto: Krappweis/freeimages.com

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Wenn drei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe

Die Schweiz, Deutschland und Österreich verfügen über grosse Waldflächen mit zumeist den gleichen Baumarten. Die Forstwirtschaften funktionieren in den drei Staaten zwar ähnlich. Dennoch bestehen Unterschiede.

Ralph Möll | Irgendwo mitten im Bodensee liegt es: das Dreiländereck Schweiz–Deutschland–Österreich. Wo genau, kann niemand sagen, den eine exakt festgelegte Grenzlinie gibt es nicht – jedenfalls im Obersee, dem südlichen und grössten Teil des Bodensees. Dieser Obersee ist damit – neben dem Emsland – eines von nur zwei Gebieten in Europa, in denen nie verbindliche Grenzen zwischen den Nachbarstaaten festgelegt worden sind. Aus einer philosophischen Warte betrachtet sind die Grenzen zwischen den drei Staaten in dieser Region sozusagen «fliessend».

Etwas anders verhält es sich hingegen mit den Forstwirtschaften der Schweiz, Deutschlands und Österreichs. Zwar sind die Voraussetzungen bei unseren Nachbarn oft ähnlich, und vieles wird auch gleich gehandhabt wie in der Schweiz. Auf der anderen Seite existieren aber auch grundsätzliche Unterschiede, die auf topografischen, wirtschaftlichen oder auch historischen Ursachen beruhen. Allerdings durchlaufen unsere Nachbarn bezüglich Baumartenbestand aktuell eine (nicht ganz freiwillige) Transformation, welche in der Schweiz schon weit fortgeschritten respektive zum Teil schon abgeschlossen ist. In diesem Artikel werden die Forstwirtschaften der drei Staaten einander gegenübergestellt und verglichen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn damit liessen sich ganze Bücher füllen.

Wald, so weit das Auge reicht

Eine Voraussetzung ist in allen drei Ländern gleich: Ein wesentlicher Anteil der Landesfläche ist bewaldet. Während in der Schweiz und in Deutschland jeweils gut ein Drittel der Fläche als Wald gilt, beträgt der Waldanteil in Österreich sogar knapp 48%. Und er wächst weiter. In der Schweiz nahm die Waldfläche zwischen 2021 und 2022 beispielsweise um 1931 ha auf 1 272 527 ha zu. [1] In Österreich erfolgt die Zunahme der Waldfläche in einem ähnlichen Umfang. Für die Zeitspanne zwischen 2011 und 2021 weist der Österreichische Waldbericht 2023 [2] ein Waldflächenplus um 6 ha pro Tag aus. Das entspricht 2190 ha pro Jahr.

In Deutschland werden derzeit die Daten der vierten Bundeswaldinventur, die zwischen 1. April 2021 und Anfang 2023 durchgeführt worden ist, geprüft und ausgewertet. Die Vorstellung der Ergebnisse ist erst Ende Jahr vorgesehen. Daher sind die für Deutschland zur Verfügung stehenden Zahlen etwas älter. Aber auch sie bestätigen den generellen Trend: Zwischen 2002 und 2012 ist der Wald in Deutschland um 50 000 ha, also im Schnitt um 5000 ha pro Jahr, gewachsen. [3]

Klima, Käfer, Kahlschläge

Die Baumarten unterscheiden sich grosso modo nicht wesentlich, was aufgrund topografisch und klimatologisch ähnlicher Voraussetzungen in den drei Ländern nicht weiter erstaunt. Die vorderen Ränge belegen Fichten und Kiefernarten bei den Nadelhölzern sowie Buchen und Eichen bei den Laubhölzern. In Deutschland machen Kiefern und Fichten über 50% der Waldfläche aus [4], in Österreich beträgt der Fichtenanteil 46,2%. Und in der Schweiz decken Fichte, Weisstanne und Buche über drei Viertel des Holzvorrates ab.

Indes, die Bedeutung der Fichte – des einstigen «Brotbaums» der Forstwirtschaft  – nimmt kontinuierlich ab. In der Schweiz ist dieser Baum in den Voralpen und Alpen beheimatet. Die Bestände in tieferen Regionen wurden zumeist im frühen 18. Jahrhundert von Menschen gepflanzt, weil die dort ursprünglich vorhandenen Waldbestände zur Herstellung von Holzkohle, zur Produktion von Glas und als Bauholz übernutzt worden waren. Während sich vor allem in Deutschland grosse Bestände an Fichten-Monokulturen (sogenannte «Fichtenäcker») entwickelten, verhinderten Topografie und Waldbesitzverhältnisse in der Schweiz eine ähnlich grossflächige Ausbreitung.

Doch egal, ob klein oder gross, die Fichtenwälder leiden. Dafür verantwortlich sind in erster Linie der Klimawandel und dessen Begleit- und Folgeerscheinungen. Lange Trockenperioden, die immer öfter auftreten, setzen einerseits der flachen Wurzel der Fichte zu. Anderseits fördert die globale Erwärmung mit milden Wintern und früher einsetzendem Frühlingsbeginn die übermässige Vermehrung von Schädlingen wie dem Borkenkäfer. Im Zuge des Klimawandels kommt es ausserdem zu immer mehr extremen Wetterereignissen, wie beispielsweise Stürmen, denen solcherart geschwächte Monokulturen nicht mehr standhalten können.

Die Folgen dieser Entwicklung zeigte 1999 der Sturm Lothar einer breiten Öffentlichkeit auf. Unvergessen bleiben die Bilder von ganzen Berghängen und weiten Flächen voller umgeknickter Bäume, die der Naturgewalt nicht mehr standzuhalten vermochten. In allen drei Ländern hat daher ein Umdenken stattgefunden. Die bestehenden Fichten-Monokulturen werden verjüngt und mit Laubbäumen durchmischt. Das stärkt nicht nur den Wald als Wald, sondern auch den Wald als Ökosystem und in seiner Funktion für die Biodiversität. Während diese Entwicklung in der Schweiz schon weit fortgeschritten ist, gibt es bei unseren Nachbarn auch den einen oder anderen Rückschlag, wie das Beispiel des 2000 ha grossen Stadtwalds von Treuenbrietzen in Brandenburg (D) zeigt. [5]

Struktureller Unterschied

Während in der Schweiz über 70% des Waldes der öffentlichen Hand gehören und nur 29% in Privatbesitz sind [6], gestalten sich die Besitzverhältnisse in Deutschland und Österreich diametral anders: So sind von den 11,4 Mio. Hektar Wald in Deutschland 48% Privatwald. 29% gehören den Bundesländern, 4% dem Bund, und 19% befinden sich im Besitz von Körperschaften. [3] Noch viel grösser ist der Anteil Privatwald in Österreich: 81% des Austria-Waldes gehören privaten Eigentümerinnen und Eigentümern. Die Betreuung der restlichen 19% teilen sich die Österreichischen Bundesforste AG, die Bundesländer sowie die Gemeinden. [7]

Diese strukturellen Unterschiede haben Auswirkungen auf die Bewirtschaftung der Forste. In der Schweiz bewirtschaften meist öffentlich-rechtliche oder zumindest verwaltungsnahe Betriebe den Wald, was beim hohen Anteil an öffentlichem Wald durchaus sinnvoll und nachvollziehbar ist. In Deutschland und Österreich sind vor allem grosse, privatwirtschaftliche Forst­unternehmen tätig, welche die nötigen Arbeiten im Auftrag der Waldeigentümerinnen und -eigentümer ausführen. Dabei kommen immer mehr Anbieter aus dem EU-Ausland zum Zug, weil diese oft günstiger arbeiten können als deutsche oder österreichische Unternehmen. Allerdings sind in letzter Zeit viele solcher Betriebe vom Markt verschwunden. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Entwicklung indirekt auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Intensiver Käferbefall sorgt nämlich dafür, dass weniger Holz vorhanden ist, das darüber hinaus auch nur zu tieferen Preisen verkauft werden kann, sodass es sich auch für Unternehmen aus dem EU-Ausland nicht mehr lohnt, in Deutschland oder Österreich anzubieten.

Allen gemeinsam, keinem genehm

Eine Gemeinsamkeit, auf die wohl alle gerne verzichten würden, haben die Forstwirtschaften der drei verglichenen Länder aber noch: Die Erlöse aus dem Holzverkauf sind sehr gering, und das mittlerweile auch in Deutschland und Österreich. Der letzte länderübergreifende Kennzahlenvergleich zwischen der Schweiz, Deutschland und Österreich liegt schon etwas länger zurück. [8] Damals wiesen die Privatwaldbetriebe in Deutschland und Österreich praktisch alle Gewinne aus, während viele Kommunalwaldbetriebe in der Schweiz und in Deutschland Verluste hinnehmen mussten.

Ein wichtiger Grund dafür war die insgesamt günstigere Kostensituation, vor allem bei den Erntekosten. Dazu kam, dass die Ressourcen (Personal und Maschinen) besser auf die Betriebsverhältnisse abgestimmt waren und konsequent kosteneffiziente Verfahren eingesetzt wurden. Aufgrund der klimatologischen Veränderungen, welche Holz von minderer Qualität zur Folge haben, dürfte sich das Verhältnis von Aufwand und Ertrag künftig aber auch bei unseren Nachbarn verschieben, und zwar weiter zuungunsten der Erlösseite. ′

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? In der Zeitschrift "Wald und Holz" finden Sie den gesamten Artikel sowie zahlreiche weitere lesenswerte Artikel.

Wald und Holz jetzt abonnieren

 

Referenzen

[1] Jahrbuch Wald und Holz 2023, Bundesamt
für Umwelt BAFU, Bern 2023, S. 10.

[2] Österreichischer Waldbericht 2023, Bundes­ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, Wien 2023, S. 7.

[3] www.forstwirtschaft-in-deutschland.de,
abgerufen am 7. Mai 2024.

[4] www.sdw.de, abgerufen am 7. Mai 2024.

[5] https://taz.de/Treuenbrietzen-verkauft-den-Stadtwald/!5871438/, abgerufen
am 8. Mai 2024.

[6] Steckbrief Schweizer Wald, BAFU,
www.bafu.admin.ch, abgerufen am 7. Mai. 2024.

[7] Österreichischer Waldbericht 2023, Bundes­ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, Wien 2023, S. 34.

[8] Forstwirtschaftliches Testbetriebsnetz
der Schweiz: Ergebnisse der Jahre 2017–2019, Herausgeber: Bundesamt für Umwelt BAFU,
Bundesamt für Statistik BFS, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL sowie WaldSchweiz, Bern 2020, S. 34–38.

 

ähnliche News aus dem Wald