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Das Klanghaus befindet sich aktuell noch in der Fertigstellung. Die Einweihung soll im Mai 2025 stattfinden.Fotos: Thomas Güntert

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Im Klanghaus am Schwendisee gibt das regionale Holz den Ton an

Die Streichmusik mit Hackbrett, Violine, Cello und Bassgeige ist im Toggenburg weitverbreitet, und auch die Jodeltradition wird dort noch gelebt. Am Schwendisee entsteht zurzeit ein einmaliges musikalisches und architektonisches Zentrum für Naturmusik.

Thomas Güntert* | Um die musikalische Kultur erhalten zu können, wurde 2009 die Stiftung Klangwelt Toggenburg gegründet. Im Jahr darauf wurde ein Thesenwettbewerb für ein Klanghaus durchgeführt, den der Zürcher Architekt Marcel Meili gewann. Das Klanghaus entsteht dort, wo früher das Hotel «Seegütli» stand, was den Ersatzbau überhaupt erst möglich machte. «Sonst hätte in diesem Naturschutzgebiet nie neu gebaut werden dürfen», sagt Architektin Astrid Staufer von Staufer & Hasler Architekten. Nach dem Tod von Marcel Meili im Jahr 2019 entwickelte das Architekturbüro aus Frauenfeld das Projekt unter der Leitung des Hochbauamtes St. Gallen weiter.

Richard Jussel vom Holzbauunternehmen Blumer Lehmann AG in Gossau (SG) ist für die Planung und Ausführung der Gebäudehülle verantwortlich und betont die strikten Vorgaben, welche der Kanton St. Gallen für dieses Projekt aufgestellt hat. So sollte das Klanghaus, das in der Senke rund um den Schwendisee mit Hinterrugg und Chäserrugg in einen natürlichen
Klang­raum eingebettet wird, aus regionalem Holz aus den St. Galler Voralpen als typisches Toggenburger Schindelhaus gebaut werden.

Für die senkrechten Fassaden wurden etwa 150 000 unbehandelte, getrocknete und handgespaltene Schindeln aus Fichtenholz verwendet. Diese werden das Gebäude während über 100 Jahren vor dem Wetter schützen. «Handgefertigt, weil maschinell gefertigte Schindeln nicht so lange halten, da beim Spalten die Poren verletzt werden», erklärt Astrid Staufer. An der Frontwand wurden die Schindeln in Kompaktform ohne Hinterlüftung versetzt montiert, wodurch ein optisch lebendiges, musikalisches Klangbild entstanden ist. Das Dach wurde in einer Freiformgeometrie realisiert, wobei die Holzfachleute ein besonderes Augenmerk auf die Untersicht legten.

Begehbares Instrument statt Konzertsaal

Die anspruchsvolle Geometrie der Räume, die inneren Wand- und Deckenverkleidungen, die Resonanzöffnungen und die beweglichen Tore bieten eine einzigartige Akustik. «Gebäude, in denen Musik gemacht wird, müssen nicht von aussen nach innen, sondern von innen nach aussen schalldicht gemacht werden, damit der Ton kontrolliert im Raum gehalten werden kann», sagt Richard Jussel. Im Klanghaus gibt es keine parallelen Wände und es wurde alles rund gehalten, damit der Klang aus möglichst unterschiedlichen Richtungen fein gestreut an die Ohren kommt.

Astrid Staufer betont, dass das Klanghaus kein Konzertsaal, sondern ein begehbares Instrument sei, in dem die Akustik vollständig über das Holz kontrolliert werde. Der zweigeschossige Holzbau, der einer Violine ähnelt, umfasst vier akustisch einzigartige Klangräume. In den drei Gebäude­flügeln sind die zweigeschossigen Räume «Schwendisee» und «Schafberg», sowie die eingeschossige «Stube» untergebracht, über der sich noch ein Übungsraum befindet. Die Klangräume haben unterschiedliche Proportionen, Aussichten und akustische Qualitäten. Das Herzstück ist der acht mal acht Meter grosse und sieben Meter hohe sechseckige Zentralraum.

Das introvertierte Zentrum des Gebäudes hat keine Fenster und wird von oben durch in die Decke eingelassene Tageslichtschächte belichtet. So sollen sich die Musiker voll auf ihr Schaffen konzentrieren können. Aus Gründen der Akustik sind die Decken und Wände verschachtelt, verwinkelt und vielschichtig verkleidet. In einer Seitennische gibt es einen Hallraum, in dem durch das Öffnen riesiger Türen ein natürlicher Hall erzeugt werden kann. In den Wänden mit übergrossen Hackbrettornamenten und unterschiedlichen Füllungen werden in Zusammenarbeit mit dem Klangkünstler Andreas Bosshard in unterschiedlichen Höhen spezielle Klangschalen aus verschiedenen Materialien integriert, damit unterschiedliche Tonarten entstehen.

Im Boden, der mit Eichenholzparkett belegt wird, sind drei Resonanzräume eingelassen, die in Schwingung geraten und zum eigenen In­strument werden, wenn darauf getanzt und gestampft wird. Ein Holztäfelungennetz umspannt alle Räume, macht sie akustisch weich und fördert die Streuwirkung der Töne.

Die beweglichen Wände zwischen dem Zen­tralraum und den Klangräumen ermöglichen neben einer grandiosen Aussicht auch ein verändertes Raumvolumen, das wiederum einen Einfluss auf die Akustik hat. Werden die raumhohen Tore der Klang­räume geöffnet, verwandelt sich das Klanghaus in eine Bühne in einer wundervollen Landschaft. Die drei Flügel bilden auch drei Buchten, von denen zwei als Aussenbühnen genutzt werden. Die nach innen gewölbten Wände bündeln ausserdem die
Geräusche der Natur, die in die Musik mit einbezogen wird.

Das runde Gebäude widerspricht jeder Logik vom Holzbau, der eigentlich rechteckig ist. Astrid Staufer betont, dass in dem Haus nicht nur Folklore, sondern auch experimentelle Naturmusik gemacht werden soll. Dass der komplexe Holzbau nach der Fertigstellung über eine Akustik verfügen wird, die es in dieser Form bislang noch nicht gegeben hat, ist eine ideale Voraussetzung dafür. Klangbegleiterin Leonie Holenstein von der Klangwelt Toggenburg ergänzt: «Man kann heute alles berechnen, aber unkonventionelle Ideen muss man ausprobieren.»

Übergabe im November, Einweihung im Mai

Das Projekt Klanghaus Toggenburg kostet insgesamt rund 22,3 Mio. Franken, wovon 5 Millionen für das Versetzen der Strasse und der kleinen Brücke anfallen. Holzbau und Spenglerarbeiten schlagen mit etwa 4,3 Millionen zu Buche, wobei allein die Treppenanlage mit dem Geländer aus vertikalen, gerundeten Holzstäben gut 300 000 Franken kostet. Aufgrund der Holzbauverteuerung während der Bauphase musste sogar an einigen Stellen gespart werden. So wurde der Sockelbereich mit stehenden Eternitziegeln verkleidet, und auf die synthetische Gummidachbedeckung wurden zahlreiche Pfannendeckel aus industrieller Fertigung als Schneefänger montiert.

Nach der Installation der Gebäudetechnik und dem Abschluss des Innenausbaus will das Hochbauamt des Kantons St. Gallen das Klanghaus Ende November der Stiftung Klangwelt Toggenburg übergeben. Vor der offiziellen Inbetriebnahme Ende Mai 2025 werden der Zentralraum und die drei Klangräume wie Instrumente gestimmt. Die gesamte Innenarchitektur ist vergleichbar mit einem riesigen Instrument, das durch die unregelmässige Struktur sowie durch in die Wände eingelassene Klangspiegel individuell auf die musikalischen Bedürfnisse eingestellt werden kann. Nach der Eröffnung können sich Musik- und Gesangsgruppen in die aussergewöhnlichen akustischen Arbeitsräume für Proben, Kurse, Workshops, Seminare und Symposien einmieten

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