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Das Grosse Mausohr fängt Insekten aus der Bodenstreu, weshalb es auch als Indikator für die Qualität des Waldbodens gilt. Foto: Jacques Gilliéron

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Vom unterschätzten Wert der Fledermäuse für Waldökosysteme

Mit 30 gelisteten Arten machen die Fledermäuse fast einen Drittel aller bekannten und belegten Säugetiere (100 Arten) in der Schweiz aus. Der Einfluss der unscheinbaren Fledertiere auf die Vitalität des Waldes ist von entscheidender Bedeutung.

Marc Fragnière | Die breite Öffentlichkeit nimmt eigentlich kaum Notiz von Fledermäusen. Für den Menschen sind sie harmlos, umgekehrt ist der Mensch eine Bedrohung für das Tier. «Seit dem letzten Jahrhundert macht der Verlust von Heckenlandschaften und von Verbindungen zwischen ihren natürlichen Lebensräumen Fledermäuse zur global bedrohten Art. Der drastische Rückgang der Insektenpopulation sowie die Lichtverschmutzung erschweren ihr das Leben zusätzlich», erklärt Aline Wuillemin vom CCO, dem Centre de Coordination Ouest pour l’étude et la protection des chauves-souris (Westschweizer Zentrum zur Erforschung und zum Schutz von Fledermäusen) in Genf. In der kultivierten und fragmentierten Schweizer Landschaft ist der Wald vor allem dank seiner Stabilität ein zur Erhaltung und Entwicklung der Fledermäuse unverzichtbarer und vorteilhafter Lebensraum.

Die besondere Verbindung zum Wald

In Mitteleuropa haben die meisten Fledertiere eine starke Bindung zum Wald. Am Ende der letzten Eiszeit dürften sie ihre Territorien in dem Masse zurückerobert haben, wie sich der Wald dort ausbreitete. Während einige Arten den Wald nur als Jagdrevier nutzen, verbringen andere ihr gesamtes Leben darin. Diese Arten sind auf das Vorhandensein von passenden Höhlen angewiesen [1]. Von den 30 in der Schweiz nachgewiesenen Fledermausarten gelten nur vier als nicht gefährdet [2]. Sämtliche Fledermausarten sind Insektenfresser, doch es gibt eine Art, die sich nicht ausschliesslich von Insekten ernährt: den Riesenabendsegler. Diesem gelingt es gelegentlich, im Flug Sperlingsvögel zu erbeuten. Der extrem seltene und höhlenbewohnende Riesenabendsegler ist in Europa jedoch kaum bekannt und gilt als unzureichend dokumentiert. In der Schweiz wurde er seit 2007 bloss fünf Mal gemeldet [3].

Fledermausarten machen fast einen Drittel der rund 100 in der Schweiz bekannten Säugetierarten aus und spielen eine wichtige Rolle in der Nahrungskette. Sie können in einer Nacht die Hälfte ihrer Körpermasse an Insekten verzehren (manche Arten bis zu 250 Raupen oder 1000 Mücken in einer einzigen Nacht) [1]. Dadurch sorgen sie für eine gewisse Regulierung der Schädlingspopulationen, da die erwachsenen Individuen vieler Insekten, die als Schädlinge gelten, nachtaktiv sind, wie zum Beispiel der Eichen- und Kiefernprozessionsspinner, der Grüne Eichenwickler, der Maikäfer oder der Buchsbaumzünsler.

Die Rolle der Fledermäuse in den Wald­ökosystemen ist umso wichtiger, als unter den nachtaktiven Vögeln nur der Ziegenmelker, eine sehr seltene und in der Schweiz nur sehr lokal vorkommende Schwalbenart (zwischen 2013 und 2016 wurden nur 40–50 Paare nachgewiesen [4]), Insekten frisst. Die anderen nachtaktiven Vögel sind Raubvögel und ernähren sich hauptsächlich von Nagetieren. Fledermäuse sind also die Hauptjäger nachtaktiver Insekten. Dabei hat jede Fledermausart ihre eigenen Vorlieben. Einige bevorzugen Zweiflügler, andere sind auf Falter oder Käfer spezialisiert. Auf dem Speiseplan einiger Arten stehen auch diverse Spinnentiere.

Gemischte Laubwälder sind beliebt

Verschiedenste Faktoren haben einen Einfluss darauf, ob und welche Fledermausarten im Wald vorkommen. Ihre Lebensweise, konkurrierende Arten oder auch die Verfügbarkeit von Beutetieren hängen von der Zusammensetzung des Waldbe­stands, der Beschaffenheit der Waldschichten, dem Tot- und Altholz sowie den vorhandenen Habitaten anderer Waldbewohner ab. Die Baumarten, aus denen sich ein Waldbestand zusammensetzt, bestimmen die Vielfalt der darin lebenden Insekten. Je mehr verschiedene Baumarten ein Bestand aufweist, desto mehr Insekten können über das Jahr verteilt auftauchen und desto attraktiver ist er für Fledermäuse [1]. Fledermäuse jagen bevorzugt in Laubmischwäldern, weil diese die grösste Vielfalt an Beutetieren aufweisen. In grossen Nadelholzbeständen oder in Bergregionen bevorzugen Fledermäuse lichte Bestände, in denen sich Kraut- und Strauchschichten entwickeln können, die eine grössere Vielfalt an ganzjährig aktiven Fluginsekten begünstigen.

Bestimmte Baumarten wie Eiche (mit 284 von ihr abhängigen Insekten), Weide (266) oder Birke (229) ziehen eine grosse Vielfalt an Insekten an und sind damit de facto attraktiver als beispielsweise Ulme (82), Buche (64) oder Linde (31). Die Vielfalt der Fledermäuse im Wald hängt überdies von der Vegetationsabstufung innerhalb des Waldbestands ab. Jede Fledermausart verfügt über unterschiedlich schnelle respektive wendige Flugfähigkeiten sowie ein individuelles Echolotsystem, das je nachdem schnelle oder langsame Annäherungen an das Blätterdach des Waldes ermöglicht. Die Kombination dieser beiden Faktoren führt zu artspezifischen Fähigkeiten und einer räumlichen Verteilung aller Fledermäuse, die erheblich von der vorhandenen Fauna abhängt. 

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