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Flatter-Ulme (Ulmus laevis) am Nordufer des Neuenburgersees im Kanton Waadt.Foto: Yann Fragnière

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Die Flatter-Ulme ist wohl die seltenste Baumart der Schweiz

Die Flatter-Ulme wird oft fälschlicherweise als eingeführte Art betrachtet und braucht einen neuen Status. Ein Forschungsprojekt der Universität Freiburg unter der Leitung des Biologen Yann Fragnière bestätigt, dass Ulmus laevis eine einheimische Wildbaumart der Schweiz ist.

Marc Fragnière | Der Verein Anbau und Pflege von Werthölzern (CPP-APW) bot im April dieses Jahres eine Weiterbildung zum Thema Flatter-Ulme und Schneeball-Ahorn an. Die rund 20 Teilnehmenden konnten im Rahmen des Kurses ihre Kenntnisse zu diesen seltenen Arten in der Schweiz, und vor allem im Kanton Freiburg, vertiefen.

Nach einer Einführung im botanischen Garten der Universität Freiburg haben Prof. Dr. Gregor Kozlowski,
Leiter des Gartens, und Biologe Yann
Fragnière den Teilnehmenden die Standorte der Bäume gezeigt.

Yann Fragnière, der eine gross angelegte Forschungsarbeit zur Flatter-Ulme
(Ulmus laevis)1 durchgeführt hat, begleitete die Gruppe an den Ufern der Sarine in Marly (FR) auf den Spuren einer «einheimischen Baumart, bei der es sich wahrscheinlich um die seltenste der Schweiz handelt».

Vom Ruf als einer eingeführten Art befreien

Nach umfangreichen Erhebungen ist von 875 erfassten natürlichen Exemplaren auszugehen; die Population dieser Art wird auf etwa tausend Bäume geschätzt. «Genetisch betrachtet spricht die Diversität an den meisten Standorten für eine natürliche Besiedlung, da sie derjenigen im Elsass und in Deutschland an den Ufern des Rheins ähnelt», erläutert der Biologe, der die seltenste Ulmenart der Schweiz von ihrem Ruf als einer eingeführten Art befreien möchte.

Tatsächlich findet sich diese schöne Heterogenität an allen erfassten Standorten wieder. In den Populationen der Aare zwischen Thun und Bern fällt sie etwas schwächer aus, was jedoch das Szenario einer Anpflanzung nicht glaubwürdiger macht. Vieles spricht für die These von einer Besiedlung beziehungsweise einer Wiederbesiedlung nach dem Bau von Deichen. In Döltschibach (ZH) ist die Lage anders, wo der schwache Polymorphismus auf eine Anpflanzung schliessen lassen könnte, auch wenn keine entsprechenden Hinweise gefunden wurden.

Häufige Verwechslung mit der Feld-Ulme

Im Raum Zürich wie andernorts mangelt es an Informationen zur Flatter-Ulme. Die Gründe für dieses Desinteresse sind zahlreich und unterschiedlich. Durch mangelnde Kenntnisse des Forstpersonals wurde die Flatter-Ulme häufig mit der Feld-Ulme verwechselt. Aufgrund ihrer Seltenheit haftet ihr der Ruf als eingeführte Art an, und die als minderwertig betrachtete Holzqualität sprach gegen eine Bewirtschaftung. «Historisch gesehen war sie unter den Stellmachern als Weiss-Ulme bekannt. Sie hatte keinen besonders guten Ruf. Man bevorzugte weniger den Baum als vielmehr den als fruchtbar geltenden Standort. Es wurde sogar die Rodung der Flächen, auf denen sie zu finden war, unterstützt», so Yann Fragnière.

In seinem Projekt zur Förderung seltener Arten2 beschreibt Peter Schwab das Holz dieses Baumes folgendermassen: «schwer zu bearbeiten und zu spalten», «die Farbe ist nicht sehr ansprechend», bevor er einräumt: «Einzig die wertvolle Maserknolle, welche die Flatter-Ulme häufig bildet, ist sehr begehrt.»

Die Flatter-Ulme als Alleebaum

Besonders in Frankreich, aber auch in der Schweiz, namentlich im Kanton Neuenburg, diente die Flatter-Ulme als Alleebaum. «Die Art ist relativ vielseitig, und auch ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Asphalt war anerkannt», erläuterte Pascal Junod, Kreisförster von Boudry (NE) und Co-Leiter des Bildungszentrums Wald Lyss.

Heute steht die Flatter-Ulme auf der Roten Liste der bedrohten Arten in der Schweiz und verdient es, bekannter zu werden. Ihre Anpassungsfähigkeit – sie gedeiht auf vielen Böden, hält Überschwemmungen stand und ist relativ widerstandsfähig gegen Dürre – macht sie angesichts des Klimawandels zu einer Baumart der Zukunft. Aufgrund der Zerstörung ihres natürlichen Lebensraums kann sie sich jedoch nicht ausbreiten. Als Übergangs-Baum­art zwischen Weich- und Hartholzwald fühlt sie sich in Flussauen wohl, von deren Dynamik sie abhängt. Diese Dynamik erweist sich angesichts der seit 1900 zu beobachtenden vollständigen Begradigung der grossen Wasserläufe der Schweiz aber als unzureichend oder quasi nicht vorhanden. Deichbau und Umgestaltung erklären also die Abwesenheit der Flatter-Ulme etwa an den Ufern des
Genfersees.

Um die Flatter-Ulme zu schützen, müssen unbedingt die Exemplare aus den natürlichen Populationen bewahrt werden. Projekte zur Revitalisierung von Wasserläufen wären eine gute Möglichkeit, die bestehenden Populationen durch Anpflanzungen zu stärken. Da die natürliche Regenerierung ausbleibt, gleicht die Zukunft der Flatter-Ulme in der Schweiz einer Sackgasse. Die Revitalisierung der Wasserläufe und die Schaffung lebendiger Flussauen zeichnen sich langfristig als einzige Rettung für diese Art ab.

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Referenzen:

[1] Yann Fragnière, Lena Dermelj, Nicolas Küffer, Jacques Sciboz, Stefan Müller-Kroeling, Christian Parisod, Gregor Kozlowski, «Relict of riparian floodpain forests: Natural distribution and ecology of Ulmus laevis in Switzerland», Journal for Nature Conservation, 78 (2024). 

[2] Peter Schwab. «Orme lisse – orme diffus – Ulmus laevis Pall. Favoriser les essences rares», Chaire de sylviculture EPFZ, Direction fédérale des forêts OFEFP, 2001.

 

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