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Bestattungsorte im Wald fügen sich unauffällig in das natürliche Gefüge ein und werden dementsprechend beschildert.Fotos: Sarah Sidler

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Waldfriedhöfe: neue potenzielle Einnahmequellen für den Forst

Ruhewald, Waldfriedhof oder Friedwald – die Namen sind unterschiedlich, das Prinzip dasselbe: Solche Ruhestätten befriedigen die Nachfrage weg vom Reihengrab hin zu anderen Bestattungsformen. Werden Zukunftsbäume zu letzten Ruhestätten, verhilft dies zu Mehreinnahmen.

Sarah Sidler | Es fällt auf: Berichte über letzte Ruhestätten in Wäldern häufen sich. Eben wurden im Lindbergwald der Stadt Winterthur (ZH) neben dem Friedhof 200 Bäume für 1600 Aschebestattungen bereitgestellt. In Oensingen (SO) plant die Bürgergemeinde einen Waldfriedhof auf dem Roggen. Und obwohl das Unternehmen «Friedwald GmbH» bereits über 85 Standorte für Bestattungen im Wald verfügt und eben ein neuer Friedwald in Wil (SG) dazugekommen ist, sind die Verantwortlichen auf der Suche nach neuen Flächen. «Wir verzeichnen zunehmende Anfragen nach letzten Ruhestätten in Wäldern», sagt Sabine Weber, Mitglied der Geschäftsleitung der Friedwald GmbH. Einzelne Friedwälder seien bereits ausgebucht, wie dieser in Seengen (AG). Besonders im Kanton Schwyz, nahe der Zürcher Grenze, seien sie darum auf der Suche nach neuen Wäldern. 

Es müssen keine speziellen Wälder sein, und doch sollten sie einigen Anforderungen entsprechen. So müssten die Mischwälder beispielsweise mindestens ein Hektar gross sein und in der Nähe eines Parkplatzes liegen. Bevorzugt werden Parzellen, welche einen möglichst hohen Eichen-, Buchen- und Ahornbestand aufweisen – von den Kunden gefragte Baumarten. «Eschen und Fichten sind ungünstig. Einerseits aus Sicherheitsgründen, andererseits, weil diese Bäume rasch Käfern, Pilzen oder Trockenheit zum Opfer fallen», sagt Thomas Brändle, der als Forstwart die Friedwälder betreut. Da ein Friedwald bis zu 99 Jahre durch einen Grundbucheintrag geschützt ist, sollten die auserwählten Bäume dieses Alter möglichst erreichen. «Friedwaldbäume sind auch Zukunftsbäume», sagt Thomas Brändle. Waldeigentümerinnen oder -eigentümer geben ihr Waldstück also für 99 Jahre in einem Dienstbarkeits- und Nutzungsvertrag an die Firma Friedwald ab. Sie können aber selbst bestimmen, welche Bäume als letzte Ruhestätten genutzt werden können. Der Wald und sämtliche Bäume bleiben in ihrem Besitz. Pro verkauften Baum – die Kunden kaufen lediglich das Nutzungsrecht – erhalten sie einen Anteil. Sie sind lediglich für die normale Pflege des Waldes nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zuständig – die Friedwald-Parzelle kann weiterhin als Nutzwald bewirtschaftet werden. 

Asche kommt in den Wurzelbereich

Damit sich die Angehörigen im Wald orientieren können, sind die Friedbäume mit Beschriftungen versehen, welche nicht mit den Initialen der Verstorbenen verwechselt werden dürfen. Für das Anbringen der Zeichen an den Bäumen ist Thomas Brändle verantwortlich. Er ist es auch, der für die Beisetzung eine Öffnung im Wurzelbereich des ausgewählten Baumes freischaufelt. Die Bestattung der Asche im Wurzelbaum wie das Verschliessen der Öffnung nehmen die Angehörigen bei der Abdankung vor. 

Kundenarbeit und Vermarktung sowie die Kosten für das Bewilligungsverfahren, den Eintrag ins Grundbuch und die Administration übernimmt die Friedwald GmbH.

Friedbäume können bereits zu Lebzeiten ausgewählt werden. Rund die Hälfte aller Bäume verkauft die Firma so. «Viele Menschen erwerben ein Nutzungsrecht an einem Baum zu Lebzeiten, weil sie ihren Nachkommen nicht mit der Grabpflege zur Last fallen wollen oder weil sie sicher gehen wollen, dass ihrem Wunsch nach einer Baumbestattung auch entsprochen wird», erzählt Sabine Weber. Geht ein Baum innerhalb von drei Jahrzehnten – und bevor daran eine Bestattung vorgenommen worden ist – ein,  kann kostenlos ein anderer Baum derselben Preisklasse ausgesucht werden. Ansonsten wird gemeinsam mit dem Waldbesitzer die Pflanzung eines jungen Baums in Betracht gezogen. 

Waldfriedhöfe müssen dezent sein

In den Wurzelstöcken der Friedwaldbäume kann die Asche von bis zu zehn Personen vergraben werden. Auch die Beisetzung von kremierten Haustieren ist erlaubt. Urnen oder Grabschmuck hingegen sind forstrechtlich nicht zulässig. Darum hat Thomas Brändle ein Auge darauf. «Lägen Blumenschmuck, Fotos, Kreuze, Steine oder dergleichen im Wald herum, hätten wir wohl bald ein Problem mit der Akzeptanz.» Ausser Buchstaben an einzelnen Bäumen und einer kleinen Tafel beim Eingang in den Friedwald sieht der Wald aus wie jeder andere auch. Das sei das Ziel. 

Am Tor zu einer am Friedhof Rosenberg angrenzenden Waldparzelle auf dem Stadtgebiet von Winterthur sind auf einem Übersichtsplan Baumnummern aufgeführt. Hier wurde auf einer vom Orkan Lothar verursachten 3,2 Hektar grossen Totalschadenfläche Ende des vergangenen Jahres ein Ruhewald geschaffen. 200 Bäume stehen nun für 1600 Aschebestattungen zur Verfügung. «Die Baumgräber auf dem angrenzenden Friedhofareal erfreuen sich seit vielen Jahren grosser Beliebtheit», sagt Beat Kunz von Stadtgrün Winterthur. «Generell stellen wir einen Trend weg vom traditionellen Reihengrab hin zu anderen Bestattungsformen fest.» Der Ruhewald sei eine noch naturnähere Bestattungsform als die Waldgräber.

Auslesebäume sind Ruhewaldbäume

Der Bestand an natürlich nachgewachsenen Laubbaumarten auf der Fläche wurde extensiv nach den Prinzipien der biologischen Rationalisierung gepflegt. «Die Auslesebäume können nun als Ruhewaldbäume genutzt werden», führt Beat Kunz aus. Das Auslesekriterium sei dabei nicht vorab die zu erwartende Holzqualität des Stammes, sondern die Vitalität und Schönheit des Baums. Um den Ruhewald möglichst schonend zu pflegen, kommen im jungen Bestandesalter der Bäume Pferde statt Forstmaschinen zum Einsatz. Ziel
ist eine möglichst naturnahe und artenreiche Parzelle. Deshalb sind ökologische Aufwertungen vorgesehen wie die Förderung von Fliess- und Laichgewässern. Nistkästen für Kleintiere werden bereitgestellt.
Bei Bedarf wird der südexponierte und recht vielfältige Waldsaum in der kommenden Vegetationsperiode mit passenden Arten ergänzt. 

Wie vertragen sich ökologische Aufwertung und die zusätzlichen Besucherinnen und Besucher, die sich in diesem Bereich aufhalten? Beat Kunz räumt ein, dass eine gewisse Diskrepanz zwischen einem Ruhewald mit 200 Ruhebäumen und 1600 Aschebestattungen sowie den Bedürfnissen besonders störungsempfindlicher Arten herrscht. «Wir erwarten aber keine so starke Störung des naturbelassenen Waldes, dass die Artenvielfalt dadurch tatsächlich massiv eingeschränkt würde», führt er aus. 

Mittels Waldfriedhöfen sensibilisieren

Im solothurnischen Oensingen beschäftigt sich die Bürgergemeinde schon seit zehn Jahren mit dem Thema Waldfriedhof. Deshalb wurde nun beim Kanton Solothurn eine Bewilligung für einen Waldfriedhof eingereicht, berichtet die «Solothurner Zeitung». 

Der Waldfriedhof soll dereinst im «Paradiesli» zu liegen kommen, in einer Parzelle etwa 250 Meter östlich des Bergrestaurants Roggen. Die vorgesehene Fläche umfasst 50 Aren. Dazu sei eine Reservezone von 41 Aren eingeplant. Laut Förster Robert Graber sei ein kleiner Holzschlag geplant, bevor der Waldfriedhof eingerichtet werde. Vor allem Bergahorne und Tannen würden für die Bestattungen verwendet. Rund 100 Bäume würden dafür ausgesucht und wie in den anderen letzten Ruhestätten in den Wäldern auch dezent mit Nummern versehen. 

Robert Graber hofft, dass mit dem Projekt die Menschen für den Wald sensibilisiert werden. Doch vorerst bleibt die Erteilung der Bewilligung abzuwarten.

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