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Der Biber fühlt sich wohl in der Schweiz, wo er sich seit seiner Wiederansiedlung 1956 stark vermehrt hat. Foto: Christof Angst (info fauna, Biberfachstelle)

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Waldreservat-Gestaltung durch den Biber – eine Zukunftslösung?

Seit seiner Wiederansiedlung in der Schweiz vor 68 Jahren hat sich der Biber stark vermehrt. 4900 Tiere wurden im Jahr 2022 gezählt. Der Nager beeinflusst die Landschaft und die Biodiversität, verursacht aber auch Schäden. Eine für alle gute Lösung könnten Biber-Reservate sein.

Marc Fragnière | Der Biber ist in der Tierwelt einzigartig. Das semiaquatische Nagetier gestaltet seinen Lebensraum nach Belieben. Als unermüdlicher Arbeiter und Ingenieur erstellt er auf den von ihm kolonisierten Wasserflächen Dämme, um den Eingang zu seiner Burg oder seinem Bau unter Wasser zu halten. Mit dieser Vorsichtsmassnahme schützt er sich vor Raubtieren. Die rastlose Tätigkeit des Bibers verändert die Landschaft: Bisher trockene Gebiete werden überflutet, und der Wald wird gelichtet, weil der Nager dort Bäume fällt. Obwohl seine Aktivitäten für die Biodiversität förderlich sind, verursacht der Biber auch Schäden, die zu Interessenkonflikten mit Försterinnen und Förstern sowie Landwirtinnen und Landwirten führen können.

Mittel und Tools stehen zur Verfügung

Das Schaffen von Reservaten, die durch den Biber gestaltet werden, könnte ein guter Kompromiss sein zwischen den Zielen des Bundes und der Kantone hinsichtlich Biodiversität und Revitalisierung von Fliessgewässern und den Interessen von Försterinnen und Förstern, die stark von den Bauwerken des Nagetiers betroffen sind. Die finanziellen Massnahmen, die das Teilprogramm «Biodiversität im Wald» [1] der Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen (NFA) vorsieht, können hierfür eingesetzt werden. Eine Aktualisierung dieses Programms ermöglicht es nun, ein vom Biber gestaltetes Gebiet als vorrangiges Gebiet für die Schaffung eines Waldreservats in Betracht zu ziehen. Dies berechtigt zu zusätzlichen Beiträgen. Interessant ist ausserdem, dass die Beiträge für den Unterhalt spezieller Waldreservate zur Prävention von Biber-Schäden am Rand der Reservate eingesetzt werden können. Mit der Aktualisierung der Rahmenbedingungen gilt die Schweiz als Vorreiterin. Dank des Tools «Biber-Auenmodell» [2] steht den Kantonen im virtuellen Datenzentrum eine Karte für Gebiete mit Biberpotenzial zur Verfügung. Auf dieser Plattform können die kantonalen Zuständigen der verschiedenen Stellen die voraussichtlichen Änderungen einer Landschaft visualisieren, sollte sich dort ein Biber niederlassen.

«Dieses Tool sagt voraus, welche Fläche unter Wasser gerät, wenn der Biber einen 50 cm oder 1,5 m hohen Damm erstellt. So können die Kantone sehen, welche Gebiete der Biber überschwemmen wird, und dann entscheiden, wie das Geld der NFA-Vereinbarungen bestmöglich eingesetzt wird, um an den erforderlichen Stellen Reservate zu schaffen. Die Planung ist nun ihre Aufgabe», erklärt Cécile Auberson. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Biberfachstelle von info fauna ist überzeugt, dass es einfacher ist, die Niederlassung des Bibers vorauszuplanen als darauf zu reagieren.

Die Schweiz als Vorreiterin

«Wir sind die Ersten in der Schweiz, die sich wirklich dafür entscheiden, den Biber zur Förderung von Naturschutzprojekten zu nutzen, statt sich bloss auf das Schadensmanagement zu beschränken. Zum Glück stehen uns das IT-Planungsmodell und das in der NFA-Vereinbarung festgelegte  Finanzinstrument zur Verfügung. Wir werden den Biber aktiv in Naturschutzprojekte und Projekte zur Förderung von Biodiversität und Ökosystemleistungen integrieren können», sagt Cécile Auberson. Entsprechend seinem Plan zur Revitalisierung von Fliessgewässern [3] möchte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) bis im Jahr 2090 4000 km Fliessgewässer revitalisieren. Zwischen 2011 und 2019 konnten jedoch erst 433 Projekte realisiert werden. Dies entspricht einer Revitalisierung von bloss 156 km, also etwas weniger als 20 km pro Jahr. Diese Geschwindigkeit ist in Anbetracht des erklärten Ziels ungenügend.

«Der Biber kann uns wirklich helfen, denn er revitalisiert die Fliessgewässer, und das auch noch gratis. Das ist ein überzeugendes Argument. Heutzutage müssen Revitalisierungsprojekte durchdacht und der Biber muss bestmöglich einbezogen werden. Das bietet ein grosses Sparpotenzial. Je mehr wir den Biber machen lassen, umso mehr werden unsere Fliessgewässer revitalisiert», ist sich die Biologin sicher.

Das Beispiel Marthalen

Aktuell existieren in der Schweiz erst wenige Reservate, die der Biber gestaltet. Das grösste befindet sich in Marthalen (ZH). Eine Biberfamilie hat sich 2009 im Wald Niederholz [4] niedergelassen. Sie hat auf dem Mederbach, einem einst geraden Fliessgewässer, einen Damm erstellt und damit einen Bibersee mit einer in der Schweiz einzigartigen Grösse erschaffen. Ihre Aktivitäten stellten für den zuständigen Förster schnell einen unerwünschten Einfluss dar. Ein Teil seiner Eichen stand bald mit dem Stamm im Wasser, während der Biber auch nicht zögerte, einige majestätische Exemplare zu fällen und damit jungen Weiden – einer Art, die er besonders mag – Platz zu machen. «Allerdings konnte der Förster das ganze wertvolle Holz herausholen, bevor es verkümmerte. Ausserdem wurde er mit einem Betrag entschädigt, der dem Erlös entspricht, welchen er in den nächsten 50 Jahren mit dem Holz erzielt hätte.»

2013 schlossen der Kanton Zürich, die Gemeinde Marthalen und Pro Natura einen Vertrag für eine Dauer von 50 Jahren ab, in dem die Modalitäten für ein Waldreservat festgelegt wurden. Seither ist in der Kernzone des Reservats keine forstwirtschaftliche Nutzung mehr erlaubt. Interventionen am Rande sind zu Sicherheitszwecken weiterhin möglich, insbesondere entlang der Strassen. Das Waldreservat erstreckt sich über ungefähr 10 Hektaren. Zahlreiche Arten, die vor der Niederlassung des Bibers nicht vorhanden waren, sind seither im Niederholz aufgetaucht, das sich sanft in ein Feuchtgebiet verwandelte und wo eine Auenlandschaft entstand.

«In Marthalen hat das nicht viel gekostet: 1664.40 Franken für den Holzverlust, 14 000 Franken für den Verzicht auf die Nutzung der Kernzone (Waldreservatsvertrag / 5,21 ha) und 2800 Franken für den Verzicht auf die Nutzung der Randzone (Dienstbarkeit / 4,71 ha). Es gibt keinen Unterhalt. Die Entnahme von Käferholz entlang der Wege erfolgt durch den Förster in Absprache mit Pro Natura Ostschweiz. Im Hinblick auf die Biodiversität gibt es mittlerweile sechsmal mehr Arten und 61-mal mehr Tiere», so Cécile Auberson. Die Ökosystemleistungen sind ebenfalls wichtig. In einer demnächst erscheinenden Studie wurde berechnet, dass ein vom Biber geschaffenes Feuchtgebiet jährlich dreimal so viel Kohlenstoff speichert wie der Wald in seiner bisherigen Beschaffenheit. 

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