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Die Eingriffsfläche links bietet dem gefährdeten Waldlaubsänger einen idealen Lebensraum. Rechts die Kontrollfläche.Foto: Karin Feller/Vogelwarte

Zeitschriften | Verband & PolitikLesezeit 2 min.

Auch die Biodiversitätsförderung im Wald bringt Einnahmen

Das Thema der gemeinsamen Weiterbildungen der beiden Arbeitsgruppen Wald und Wildtiere sowie Waldbiodiversität des Schweizerischen Forstvereins Anfang Jahr lautete: «Lebensraumförderung von kleinen und grösseren Wildtieren im Wald: es flattert, quakt und krabbelt!»

Sarah Sidler |Die diesjährige Weiterbildung wurde nicht nur an zwei Standorten durchgeführt, sondern zusätzlich online übertragen, da die Anmeldungen so zahlreich waren. Es wurden auch konkrete Projekte im Wald vorgestellt. Etwa jenes der Schweizerischen Vogelwarte Sempach zur Förderung des Waldlaubsängers, welches Alex Grendelmeier, Leiter Resort Wald, betreut. 

Auf einer vier Hektar grossen Waldfläche im Wisig in Himmelried (SO) fördert der zuständige Förster Josef Borer in Zusammenarbeit mit der Vogelwarte seit neun Jahren den gefährdeten Zugvogel Waldlaubsänger. Dafür wurden zu Beginn des Projekts und diesen Winter Jungwuchs sowie Krautschicht entfernt. Der Schlagabraum wird mit dem ansässigen Naturschutzverein aufgeschichtet. Zudem verzichtet der oder die Waldbesitzende dort während insgesamt 14 Jahren auf die Nutzung dieses Waldstücks. Dafür wird der Forstbetrieb von Josef Borer von der Vogelwarte und dem Kanton Solothurn entlöhnt. 

Der Lebensraum des Waldlaubsängers besteht aus älteren Wäldern mit einem gedeckten Kronendach – jedoch keine Hallen. Zudem dürfen Strauchschicht und Jungwuchs nur spärlich vorkommen, damit der Langstreckenzieher seine Nester in Grasbüscheln und Ähnlichem bauen kann. Nicht geeignet sind also der ungleichförmige Hochwald oder der Dauerwald. Der gleichförmige Hochwald hingegen spricht den Waldlaubsänger und auch einige Fledermausarten wie das Grosse Mausohr an. 

«Für dieses Projekt haben wir gezielt nach Waldflächen mit magerem Boden gesucht, damit die Eingriffe länger anhalten. Gleichzeitig sind solche Flächen ertragsärmer», erläutert Alex Grendelmeier. Das Artenförderungsprojekt Waldlaubsänger ist eines der Leuchtturmprojekte der Vogelwarte und dient dem Wissenstransfer sowie der Öffentlichkeitsarbeit. Es ist eines der Umsetzungsprojekte, wo in potenziell geeigneten Wäldern der Schweiz in Zusammenarbeit mit Förstern und Waldeigentümern Flächen gesichert und Lebensraum aufgewertet wird. Dies zum Erhalt und zur Förderung bedrohter Vogelarten. 

In der Schweiz verteilt gibt es ähnliche Projekte für den Weissrückenspecht, die Waldschnepfe sowie das Hasel- und Auerhuhn. Um diese Vogelarten in der Schweiz zu erhalten und zu fördern, berät die Vogelwarte Waldeigentümer, Förster, Kantone, Bund und Beratungsstellen. Sie macht Gutachten, hilft bei Vernehmlassungen und bietet Merkblätter, Publikationen, Berichte sowie Praxis- und Entscheidungshilfen an. Im kommenden Jahr erscheint eine überarbeitete Praxishilfe für Förster und Forstpraktiker. Diese beinhaltet unverbindliche Empfehlungen für waldbauliche Massnahmen zur Förderung der Waldbiodiversität mit Fokus auf den Wirtschaftswald und bewirtschaftete Wälder der tieferen Lagen.  

Trockenstressflächen werden abgegolten

Ganz in der Nähe von Himmelried, in Zwingen (BL), befindet sich eine Trockenstressfläche der Vogelwarte und des zuständigen Revierförsters Markus Schmidlin. «Wir wollen solche Flächen als Mosaikstein neben geräumten und nicht gestörten Flächen erhalten. Diverse Flächen bieten diverse Lebensräume», so Alex Grendelmeier. Da dort über die Hälfte der Buchen vertrocknen wird, wird ein hoher Totholzbestand entstehen. Interessant werden die folgenden Sukzessionsstadien. «Es gibt zu wenig Pioniergehölze, welche wichtige Nahrungsquellen für Insekten, Säugetiere und Vögel sind. Mindestens fünf Prozent des Baumbestandes als Pioniergehölze wären wünschenswert.»

Wie in allen anderen Projekten im Wald machen Alex Grendelmeier und Team auch in Zwingen regelmässig Erfolgskontrollen. Sie nehmen die Waldstruktur auf und monitoren die Vogelarten. Stolze 57 Brutarten wurden auf der absterbenden Waldfläche im Baselbiet gezählt. Darunter die seltene Hohltaube, der Trauerschnäpper sowie diverse Spechtarten. Auch der Waldlaubsänger wurde dort schon gesichtet. Zudem zählen Studierende der Berner Fachhochschule HAFL dort die Anzahl Totholzkäfer. Die Eigentümerschaft der acht Hektaren grossen Trockenstressfläche wird finanziell abgegolten, da auf die Nutzung der Fläche während 30 Jahren verzichtet wird. Laut Alex Grendelmeier können solche Flächen neu im Rahmen der Programmvereinbarungen potenziell über den Kanton abgerechnet werden. 

Erfreuliche Entwicklung 

Urs Fliri, Revierförster und Betriebsleiter von Forst Albula, zeigte am Anlass in Chur (GR) auf, wie stark er und seine drei Förs­ter sich für die Biodiversität im Albulatal einsetzen: «Gemäss Waldentwicklungsplan pflegen wir beispielsweise Waldränder, fördern seltene Baumarten, Laubholzbestände, lichte Wälder und Auen.» Im Forstrevier kommen Auerwild-Lebensräume, Sonderwald- und Naturwaldreservate  sowie die Moorlandschaft Alp Stierva von nationaler Bedeutung vor. Im Detail ging Urs Fliri auf die Arbeiten im Amphibienprojekt des Biotopverbunds Albulatal ein. Dieses entwickelte sich aufgrund des Pilotprojekts «Ökologische Infrastruktur in Bündner Pärken». Allein könnte Forst Albula solche Projekte aufgrund personeller Ressourcen nicht stemmen. Es sei erfreulich, welche positiven Entwicklungen sich in ihren Wäldern und Weihern bereits gezeigt hätten. 

Als Leitart für die Festlegung der Fördermassnahmen im Albulatal wurde die im Revier nur noch sehr selten nachgewiesene Erdkröte auserkoren. Basierend auf einem Trittsteinkonzept haben unter Federführung des Parc Ela Mitarbeiter des Forst­reviers, Waldeigentümer, Arbeitsgruppen von Projektwochen und Baumeister in Projektetappen während sechs Jahren neun neue Gewässer erstellt sowie 14 bestehende instandgehalten. Mit Erfolg: Die Erdkröte kommt nun in 16 von 36 untersuchten Gewässern wieder vor. Der Bergmolch wurde in über der Hälfte der untersuchten Gewässer in teils sehr grossen Populationen nachgewiesen. Auch der Grasfrosch sowie zahlreiche Libellenarten besiedeln die neuen oder wiederhergestellten Lebensräume. 

Die Mitarbeiter von Forst Albula boten bei diesem Projekt etwa Unterstützung bei der Eruierung von neuen Standorten für Weiher, waren involviert in rechtliche Abklärungen. Weiter knüpften sie Kontakte mit den Waldeigentümern. Waren Fällungen für das Anlegen neuer Weiher nötig, übernahmen sie diese Arbeiten. Auch die initiale Bepflanzung lief über Forst Albula. «Unser Ziel war, die Pflegemassnahmen mit der Waldpflege zu kombinieren», sagt Urs Fliri. Sein Betrieb konnte diese Arbeiten der Projektträgerschaft Parc Ela in Rechnung stellen. Für das Hegekonzept konnten die zuständigen Jägersektionen gewonnen werden.  

Dauerwald erweist sich als schwierig

Evelyn Kamber erläuterte in Chur, wie Pro Natura Privatwaldbesitzende und Forst-
ämter bei der Fledermausförderung in den Kantonen Zürich und Schaffhausen unterstützt. «Im Rahmen der Aktion Spechte & Co konnten wir erfolgreich zehn Förderflächen für Wasserfledermäuse und Grosse Mausohren einrichten», sagt die Forstingenieurin und Projektleiterin Wald. Die als verletzlich und gefährdet eingestuften Arten verlieren durch die Dauerwaldbewirtschaftung ihren Lebensraum. Das Grosse Mausohr zum Beispiel, weil es durch verbuschte Böden schlecht seine Hauptbeute – die Laufkäfer – jagen kann. Für die Wasserfledermaus sind geschlossene Bodenflächen aus einem anderen Grund suboptimal: Viele ihrer Höhlen befinden sich in Wurzelanläufen von 10 bis 30 Zentimeter dicken Buchen-Unterständern. Weitere Quartieröffnungen befinden sich bis in 10 Metern Höhe. Zudem zieht sie circa alle 14 Tage um. Kahle Böden sind für beide Arten ideal zum Fliegen, da die Spannweite bis 45 Zentimeter aufweist. 

Um geeignete Flächen im auserkorenen Gebiet zu finden, analysierten die Verantwortlichen der Aktion mittels des Geografischen Informationssystems (GIS) Flächen beider Kantone entlang des Rheins. Diese sollten nahe der Flugkorridore beider Fledermausarten liegen, Höhlenbäume enthalten, wenig begangen und genügend gross sein sowie über ein geschlossenes Kronendach, einen hohen Laubholzanteil und verschiedene Geländeneigungen verfügen. 

Kleiner Eingriff – grosse Wirkung

«Als wir im Rheinhardwald mitbekommen hatten, dass Fledermäuse vor dem neuen Dauerwald herwanderten, suchten wir mit dem verantwortlichen Forstamt der Stadt Schaffhausen nach Lösungen», berichtet Evelyn Kamber. Das Gebiet erfüllt die Kriterien für eine Förderfläche. Das verantwortliche Forstamt war aufgrund des verhältnismässig kleinen Eingriffs dabei und entfernte auf einer Fläche von 30×30 Metern den Unterwuchs und förderte potenzielle Höhlenbäume. Auch das Forst-
revier Cholfirst beteiligt sich an der Aktion. Insgesamt konnten um Schaffhausen (SH) an zehn Standorten Pilotprojekte der Pro-Natura-Aktion Spechte & Co «Vortritt für Fledermäuse» durchgeführt werden. «Das Monitoring zeigte auf, dass die Massnahmen greifen», berichtet Evelyn Kamber. 

Pro Fläche rechnete man mit ungefähr einem halben Tag Arbeit von zwei Personen. Diese wurde über das Naturschutzbudget der Gemeinde und/oder über Pro Natura abgerechnet. Ziel sei es jedoch, diese Arbeit zur Förderung von Fledermäusen in die normale Waldpflege zu integrieren, so die Forstingenieurin.

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