Home KalenderAktuelles

Tom Ekert (links) und Urs von Burg kümmern sich gemeinsam um das grenzüberschreitende Reservat Tannbüel.Fotos: Anita Merkt

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Naturschutz ist keine Frage von Landesgrenzen

Urs von Burg aus der Schweiz und Tom Ekert aus Deutschland betreuen gemeinsam das Naturschutzgebiet Tannbüel im nördlichsten Zipfel der Schweiz. Über die Jahre hat sich zwischen den beiden Förstern ein intensiver Austausch über ihre waldbauliche Arbeit entwickelt.

Anita Merkt* | Die Begrüssung der beiden Förster fällt herzlich aus. Urs von Burg und sein deutscher Kollege Tom Ekert kennen sich seit rund 25 Jahren. Zusammengebracht hat sie das Naturschutzgebiet Tannbüel, das für seine zahlreichen Orchideenarten bekannt ist, vor allem für den Frauenschuh, der hier besonders häufig vorkommt. Das knapp 8 Hektar grosse Naturschutzgebiet liegt am nördlichsten Punkt der Schweiz auf Gemarkung der Schaffhauser Gemeinde Bargen und zu einem Teil im deutschen Landkreis Schwarzwald-Baar. Sowohl die mindestens 15 Orchideenarten als auch die Geschichte des Tannbüels sind bemerkenswert.

Extreme Standorte

«Der häufige Wechsel der geologischen Unterlagen spiegelt sich in der Zusammensetzung der Waldbestände wider. Es sind immer die extremen Standorte, die viele seltene Arten aufweisen, forstwirtschaftlich weniger ertragreich. Dies gilt besonders für das Gebiet Tannbüel», heisst es in einer Information der Stadt Schaffhausen. Einst im Besitz des Schaffhauser Spitals «Zum Heiligen Geist», befinden sich die 340 Hektar Wald des Reviers Bargen, zu dem das Tannbüel gehört, heute im Besitz der Kantonshauptstadt. So ist auch der
Bargemer Förster bei der Stadt Schaffhausen angestellt.

Die Kargheit der Böden auf 800 Metern Höhe war ein Grund, warum die damaligen Äcker und Wiesen vor 120 Jahren wieder aufgeforstet wurden. «Die Menschen hier waren sehr arm, und viele wanderten Anfang des 19. Jahrhunderts aus. Wer nicht freiwillig ging, wurde oft von der Obrigkeit dazu angehalten», erzählt Urs von Burg. «Diese Menschen fehlten dann jedoch, um die Äcker zu bewirtschaften.» Die Aufforstung zu Föhrenwäldern zwischen 1897 und 1906 sei jedoch langsam verlaufen und sei nicht überall erfolgreich gewesen, «wohl auch, weil das Saatgut nicht von guter Qualität war». Da der Wald nur langsam und lückig aufkam und die Bäume auf diesem Teil des Randens sehr langsam wachsen, gelangte viel Licht auf den Waldboden. «Das hat vielen Orchideenarten ermöglicht, sich hier auszubreiten», so Urs von Burg. Er zeigt auf die dominierenden Föhren entlang des Besucherwegs, deren Stämme vielleicht 30 Zentimeter Durchmesser erreichen. «Man würde nicht glauben, dass diese Bäume hundertzwanzig Jahre alt sind.»

Bestand regelmässig auslichten

Damit die Orchideen weiterhin Licht und gute Standortbedingungen finden, kümmern sich Urs von Burg und der Donau­eschinger Förster Tom Ekert gemeinsam um die regelmässige Auslichtung und Pflege des Naturschutzgebiets. Zum Teil finden auch Pflanzenzählungen statt, die Aufschluss darüber geben sollen, wie sich der Bestand der seltenen Pflanzen entwickelt. Zur Blütezeit von Orchideen wie Frauenschuh, Fliegen-Ragwurz, Knabenkraut, dem Frühlingsenzian sowie dem Gelben, dem Gefransten und dem Deutschen Enzian besuchen bis zu 8000 Spaziergänger und Spaziergängerinnen das Tannbüel. «Es gab Zeiten, da kamen sie sogar mit Bussen angefahren», erzählt von Burg. Doch das sei zum Glück vorbei. Ungefähr je zur Hälfte kämen die Besucher aus Deutschland und der Schweiz, schätzen die beiden Förster.

Das grosse Interesse an den seltenen Orchideen erfordert eine durchdachte Besucherlenkung. Damit sie die Pflanzen nicht zertrampeln oder gar ausgraben, dürfen die Orchideenfreunde die Waldwege nicht verlassen. Um sie daran zu erinnern, sind entlang des Weges überall Holzpflöcke eingeschlagen, zwischen denen Seile gespannt sind. Darüber hinaus haben die Förster spezielle Pfade angelegt, die direkt zu den Orchideen-Hotspots führen und ebenfalls mit Seilen begrenzt sind. Wenn die Orchideen blühen, bringen sie Beschriftungen an, auf denen die Namen und Besonderheiten der Gewächse stehen. Einige seltene Pflanzen wie die Küchenschelle werden sogar mit Gittern eingefasst, um sie vor dem Wild zu schützen.

Besucher kontrollieren sich gegenseitig

Früher kontrollierten Parkwächter das Gebiet. Heute heissen sie «Parkberater» und beantworten vor allem Besucherfragen. «Zum Glück kontrollieren die Besucher sich inzwischen gegenseitig. Das erleichtert uns die Arbeit», sagen Urs von Burg und Tom Ekert. Zwischen zwei- und fünfmal pro Orchideensaison führen die beiden Förster Besuchergruppen durch das Tannbüel und stehen ihnen Rede und Antwort.

Neben den Orchideen beherbergt das Tannbüel auch etliche Baumarten, die man sonst im Wald eher selten findet, die angesichts zunehmender Hitzesommer aber als Zukunftsbäume gelten. Dazu gehören Sorbus-Arten wie die Mehlbeere, die Elsbeere, die Vogelbeere und der Speierling sowie Wildobstarten wie der Holzapfel und die Holzbirne. Auf einer ausgedehnten Magerwiese findet sich neben Orchideen eine Vielfalt von Blumen wie Bocksbart, Margeriten und Wiesensalbei, welche auf gedüngten Wiesen nicht vorkommen. Auch das Aufkommen seltener Sträucher und Gehölze wie des Purgier-Kreuzdorns oder der Gemeinen Berberitze wird durch Auslichtungsmassnahmen gefördert. Damit die Besucher sehen können, wie die Auslichtungen sich auf die Entwicklung des Waldes und der Strauchschicht auswirken, haben die Förster in einem Bereich des Tannbüel auf einer Seite des Weges den Wald sich selbst überlassen und nicht eingegriffen. Der Unterschied zum ausgelichteten Wald auf der anderen Seite des Weges ist auch für Laien deutlich zu erkennen.

An diesem regnerischen Wochentag kreuzt nur ein einziges Besucherpaar den Weg der Förster. Das Paar ist auf der Suche nach dem blühenden Frauenschuh. Zumal es unten in Schaffhausen Anfang Mai überall grünt und blüht. Doch auf dem Randen ist die Vegetation etwas später dran als unten im Tal, der Höhenunterschied zur Stadt Schaffhausen beträgt immerhin 350 Meter. 

Experimentieren mit neuen Baumarten

Die waldbaulichen Sorgen, mit denen sich die zwei Förster beschäftigen, sind angesichts des Klimawandels jedoch die gleichen wie in allen Regionen des deutschsprachigen Raums. Auch angesichts dessen schätzen die beiden den Austausch, den sie seit vielen Jahren über die Grenze hinweg pflegen. Tom Ekert schätzt an seinem Schweizer Kollegen dessen Experimentierfreudigkeit bezüglich neuer Baumarten.

Urs von Burg sieht für die Fichte keine Zukunft. Und weil die Buche unter Hitze und Dürre leidet, ist es für ihn kein Tabu, auch nicht-einheimische Baumarten einzubringen. Dazu gehört für ihn neben Douglasie, Zerreiche und Zeder auch der amerikanische Mammutbaum. Um verschiedene Baumarten zu testen, beteiligt sich die Stadt Schaffhausen auch an den Testpflanzungen zukunftsfähiger Baumarten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

Die Zusammenarbeit der beiden
Förster geht aber über den Austausch über zukunftsfähige Baumarten und das Teilen der wissenschaftlichen Erkenntnisse
der deutschen und der eidgenössischen Waldforschungsanstalten hinaus. Ebenso informieren sie sich grenzüberschreitend  über ihre jeweiligen Erfahrungen mit technologischen Neuentwicklungen im Waldbau. Auch Forstarbeiter-Kurse, beispielsweise für die Anwendung des
Freischneiders oder die Wertastung, haben sie schon gemeinsam organisiert. Und wenn die Forstverwaltungen von Bundesland und Kanton einfache Dinge kompliziert werden lassen, können die beiden Waldpfleger auch einmal den «kleinen Dienstweg» aktivieren.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? In der Zeitschrift "Wald und Holz" finden Sie den gesamten Artikel sowie zahlreiche weitere lesenswerte Artikel.

Wald und Holz jetzt abonnieren

ähnliche News aus dem Wald