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Christoph Niederberger, seit Anfang August Direktor von WaldSchweiz, im Interview. Foto: Joanna Wierig

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Der Wald ist ohne Zweifel eines der grössten Potenzialthemen

Christoph Niederberger ist neuer Direktor von WaldSchweiz. Im Interview erzählt der diplomierte Forstingenieur ETH von seiner Motivation für diese Stelle, seinen Plänen mit dem Verband und warum es für ihn eben nicht eine «Rückkehr» in den Wald ist.

Interview Ralph Möll | Christoph Niederberger, in diesen Tagen haben Sie Ihre Arbeit als Direktor von WaldSchweiz aufgenommen. Was steht auf Ihrer Prioritätenliste oben links?

WaldSchweiz ist sehr gut positioniert. Der Verband ist in der Schweiz eine wichtige Adresse für Wald, Holz und Waldwirtschaft, er ist finanziell im Lot, und er verfügt über die nötigen Ressourcen, um seinen Auftrag zu erfüllen. Das erlaubt mir, zunächst vor allem in Solothurn präsent zu sein und die Geschäftsstelle sowie das Team von WaldSchweiz sehr gut kennenzulernen. Im Moment steht also eher Innen- denn Aussenpolitik an. Darüber bin ich froh, weil mir das wichtig ist. Dass sich die Menschen hier wohlfühlen und ihrer Arbeit in einer guten Atmosphäre nachgehen können, ist die Voraussetzung, damit wir den Verband weiterentwickeln können. Darauf habe ich mich nach der Wahl durch den Zentralvorstand tatsächlich am meisten gefreut: ein Teil dieses Teams, dieses Hauses zu werden.

Ihre Wahl erfolgte Ende 2023. Nun ist es Anfang August. Wie haben Sie die lange Wartezeit bis zum Stellenantritt erlebt?

Ich bin froh, dass ich diese Zeit hatte. Beim Schweizerischen Gemeindeverband liess ich eine ganze Welt zurück. In den letzten Monaten besuchte ich in den Kantonen zahlreiche Generalversammlungen von Gemeindeorganisationen, um mich von vielen Menschen und Freunden zu verabschieden.

Wie führt man einen Verband und bereitet sich gleichzeitig auf die Aufgaben bei einem anderen Verband vor?

Ich bewegte mich gedanklich gleichzeitig in zwei Welten. Das war eine Herausforderung. Die Themen, welche WaldSchweiz im Generellen betreffen – Biodiversität, Nachhaltigkeit, Energiewende, Wirtschaftlichkeit, Holzmarkt, Bauwesen, Klimawandel –, beschäftigten mich auch beim Gemeindeverband. Aber nun kommen neue, spezifischere Themen wie die Inwertsetzung von Ökosystemleistungen oder der Holzabsatz im Ausland hinzu.

Was motivierte Sie, Direktor von WaldSchweiz zu werden?

Der Wald gehört zu meiner Persönlichkeit. Er ist meine berufliche Heimat, hat mich immer begleitet und ist Teil meines Herzens. In den Gesprächen spürte ich, dass WaldSchweiz aufrichtiges Interesse an meiner Person, an meinem Wissen und an meiner Erfahrung hat. Das ist nicht selbstverständlich, und ich danke dem Zentralvorstand für sein Vertrauen.

Wie weit haben Sie sich bereits in der Forstbranche eingelebt? Haben Sie schon neue Ansprechpartner kennengelernt?

Während meiner «Abschiedstournee» stellte ich fest, dass sehr viele bisherige Ansprechpartner auch künftige Ansprechpartner sein werden. Sei es, weil diverse Gemeindepräsidenten und Stadtpräsidentinnen auch in den entsprechenden Waldwirtschaftsverbänden engagiert sind oder weil gewisse Organisationen für beide Verbände wichtige Partner sind wie beispielsweise Lignum. Ich muss also gar nicht ein ganzes Umfeld neu kennenlernen, sondern bringe bereits ein Netzwerk mit, auf dem ich aufbauen kann.

Die Themen Wald- und Forstwirtschaft sind Ihnen auch aus einem anderen Grund nicht völlig fremd, schliesslich haben Sie an der ETH Forstwissenschaften studiert. Sind Sie also zu Ihren Ursprüngen zurückgekehrt?

Das haben mich viele aus meinem Umfeld gefragt: «Kehrst Du in den Wald zurück?» Ich verstehe das aber nicht als «Rückkehr». Wenn überhaupt, gehe ich vorwärts in den Wald, um hier etwas zu bewirken. Der Wald ist ohne Zweifel eines der grössten Potenzialthemen, er spielt in ganz vielen Bereichen eine wesentliche Rolle. Dazu gehören auch kontroverse Fragestellungen, beispielsweise punkto Energieproduktion oder Raumnutzung. Da drückt dann jeweils auch ein wenig meine politische Ader durch.

Wollten Sie nie selbst politisch aktiv werden? Schliesslich brachten Sie Ihr gesamtes Berufsleben in der Nähe zur Politik zu.

In meiner Heimatgemeinde Hergiswil am See im Kanton Nidwalden belegte ich bei den Schulratswahlen einst als Überzähliger den ersten Ersatzplatz. Hätte ich damals 100 Stimmen mehr gemacht, wäre mein Leben vielleicht anders verlaufen … Aber im Ernst: Ich habe mich immer eher als Dienstleister für die Politik denn als Mandatsträger gesehen. Es entspricht einfach viel mehr meinem Wesen, im Hintergrund unterstützend zu arbeiten. Mir wäre gar nicht wohl beim Gedanken, dass mich mein Gesicht von einem Wahlplakat herab ansieht. Dafür bin ich nicht geeignet, auch wenn die Politik ein Teil meines Berufslebens war und bleibt.

Mit dem Wechsel zu WaldSchweiz verlassen Sie nach vielen Jahren die Bundesstadt und damit das politische Machtzentrum der Schweiz. Kommt da nicht trotzdem ein wenig Wehmut bei Ihnen auf?

Ich habe mich nie über meinen Arbeitsplatz in Bern oder den Zugang zum Bundeshaus definiert. Das war halt ein Teil meiner Arbeit, aber nicht der wichtigste. Vor allem die Zeit im Finanzdepartement des Kantons Obwalden hatte mir gezeigt, wie viel man an solchen Positionen ausserhalb von Bundesbern bewegen und beeinflussen kann. Das fand ich immer interessanter als die nationale Politik und die eidgenössischen Räte im Konkreten. Und mit WaldSchweiz werde ich ja auch in Zukunft auf nationaler Ebene agieren, um den politischen Auftrag des Verbands zu erfüllen.

Bleiben wir bei der Politik. Obwohl Sie sich erst einmal auf die Innenpolitik konzentrieren wollen, braucht es auch Aussenpolitik. Wo sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Der Verband ist in der Branche die erste Adres­se in Sachen Wald- und Holzwirtschaft. Und er ist als verlässlicher Partner sowie als Leistungsträger bekannt. Ausserhalb der Branche trifft dies aber weniger zu. Und das empfinde ich als Widerspruch zur Tatsache, dass der Wald gefühlt Allgemeingut ist, dass jeder eine – faszinierenderweise positive – Vorstellung von Wald hat und dass es die Schweizer Bevölkerung beinahe als Grundrecht versteht, in den Wald gehen zu können. Diese Sicht blendet komplett aus, dass der Wald jemandem gehört, dass in ihn investiert werden musste, damit er so ist, wie er ist, und dass in ihn investiert werden muss, damit er sich verändern kann. Der Wald ist imagemässig bestens positioniert. Aus Eigentümersicht müssen wir deutlicher machen, dass Aufwand anfällt, der abgegolten werden muss. Ideelle Unterstützung ist wichtig, finanzielle ist es ebenso.

Seit Ihrem Forstingenieurstudium sind 25 Jahre vergangen. Seither hat sich im Waldbereich vieles verändert. Was finden Sie besonders bemerkenswert?

Einerseits hat sich der Stellenwert von Holz grundlegend verändert, beispielsweise als Baustoff. Heute baut man mit Holz in Höhen, die vor 25 Jahren unvorstellbar waren. Holz ist heute auch ein wichtiger Faktor im Energiebereich. Andererseits kämpfen die Waldeigentümer immer noch mit wirtschaftlichen Herausforderungen. Da hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren leider nichts verändert.

Als Direktor von WaldSchweiz stehen Sie auch in der Verantwortung für die Geschäftsstelle, wo Sie ein deutlich grösseres Team als bislang führen dürfen.

Ein 30-köpfiges Team ist für mich in der Tat neu. Bisher arbeitete ich sehr direkt mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen. Auf einer Geschäftsstelle dieser Grössenordnung ist das nicht mehr möglich. Und dennoch ist die Teamarbeit entscheidend, damit wir unseren Auftrag bestmöglich und im Sinne unserer Mitglieder erfüllen können. Bei meinen bisherigen Besuchen in Solothurn habe ich aber schon gemerkt, dass dieses Team passt. Ich bin daher sehr optimistisch, dass wir WaldSchweiz gemeinsam vorwärtsbringen werden. 

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